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3.3

Wohnen

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1Wohnflächenbedarf

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Der Anspruch auf eine angemessene Wohnung für alle Bewohner Bayerns ist in Art. 106 der Verfassung des Freistaats Bayern verankert. Hier ist auch festgelegt, dass die Förderung des Baus von bezahlbaren Wohnungen Aufgabe des Staates und der Gemeinden ist. Der Wohnflächenbedarf der Gemeinden ist in unterschiedlichem Maße von der Bevölkerungsentwicklung, der zunehmenden Zahl an Kleinhaushalten und alten Menschen und steigenden Raumansprüchen der Wohnbevölkerung bestimmt. Es kann ein Ersatz und Auflockerungsbedarf bestehen, auch wo nur noch geringes, kein oder sogar negatives Wachstum prognostiziert wird. Bauliche Weiterentwicklungen sind hier nur aufgrund entsprechender städtebaulicher Planungen und Maßnahmen in geringem Umfang mit den Zielen des Flächensparens vereinbar. Auch eine nicht ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum kann Anlass für bauliche Weiterentwicklungen geben. Die Gemeinden sollten daher die Wohnraumentwicklung aktiv steuern und entsprechende Wohnraumentwicklungskonzepte als festen Bestandteil von kommunalen Entwicklungskonzepten oder städtebaulichen Rahmenplänen vorsehen. Die Instrumente eines kommunalen oder gemeindeübergreifenden Flächenmanagements sollten besonders hier zum Einsatz kommen (s. a. Kapitel 3.1.5 f. Flächenmanagement, Innenentwicklung und Kapitel 4.2 Berechnungs- und Entwurfs­grundlagen).

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2Innenentwicklung

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Potenziale der Innenentwicklung, die in den vorhandenen Siedlungsgebieten bestehen, sind vorrangig zu nutzen (vgl. LEP 3.2 Innenentwicklung vor Außenentwicklung und § 1a Abs. 2 BauGB, sowie Auslegungshilfe des StMWi zu den Anforderungen an die Prüfung des Bedarfs neuer Siedlungsflächen für Wohnen und Gewerbe im Rahmen der landesplanerischen Überprüfung). Das gilt nicht nur für den städtischen Bereich, sondern auch für ländliche Siedlungseinheiten z. B. mit nicht genutzter Bausubstanz von aufgegebenen landwirtschaftlichen Betrieben. Sicherung, Verbesserung und Erweiterung vorhandener Wohnfunktionen sind oft Voraussetzungen für eine wirtschaftlichere Ausnutzung bestehender Infrastruktureinrichtungen, die bei abnehmender Bevölkerungszahl – durch einen Sterbefallüberschuss oder durch Abwanderung der Wohnbevölkerung – sonst nicht mehr ausgelastet wären. Im Rahmen der Bauleitplanung ist der Bedarf in Bezug auf die Innenentwicklungspotentiale und die Notwendigkeit für Ausweisung plausibel zu begründen. Die Nutzung möglicher Potenziale der Innenentwicklung erleichtert auch das durch die Novelle der Bayerischen Bauordnung 2021 neu strukturierte Abstandsflächenrecht, Art. 6 BayBO. Es sieht nicht nur eine vereinfachte Berechnung der für die Tiefe der Abstandsflächen maßgeblichen Wandhöhe H vor, sondern verkürzt das Maß der Tiefe der Abstandsfläche von ehemals 1,0 H auf 0,4 H im Regelfall. Die Mindestabstandsflächentiefe bleibt mit 3 m unverändert.

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3Einheimischenmodelle

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Ein wichtiges und effektives Instrument der Gemeinde, ein ausreichendes Wohnangebot für einkommensschwache oder andere benachteiligte Gruppen der örtlichen Bevölkerung sicherzustellen, bieten Einheimischenmodelle (vgl. auch LEP 1.2.2). Bei der Ausgestaltung sind insbesondere die europarechtlichen Grundfreiheiten (v. a. die Niederlassungsfreiheit), die Freizügigkeit sowie die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Die Leitlinien vom 22. Februar 2017 (abrufbar unter www.stmb.bayern.de/assets/stmi/med/aktuell/leitlinien.pdf) gewährleisten eine rechts- und damit planungssichere Aufstellung von Einheimischenmodellen.

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Sie sehen bei der Ausgestaltung zwei Stufen vor: Als allgemeine Zugangsvoraussetzung werden auf der ersten Stufe zunächst allein die Kriterien „Einkommen“ und „Vermögen“ angesetzt. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH kann hinsichtlich des Kriteriums „Einkommen“ als Maximum das Durchschnittseinkommen in der Gemeinde – dies wird vom Bayerischen Landesamt für Statistik für jede Gemeinde als Gesamtbetrag der Einkünfte angegeben – angesetzt werden. Das Vermögen darf die Höhe des Grundstückswertes nicht übersteigen. Das Kriterium der Ortsansässigkeit spielt hier keine Rolle mit der Folge, dass auch Ortsfremde am Einheimischenmodell teilnehmen können.

Hieran anschließend findet auf der zweiten Stufe des Verfahrens die Punktevergabe für die Bewerber statt. Dabei sind die Kriterien mit (maximal) 50 % der Gesamtpunkte hinsichtlich der Ortsgebundenheit und (mindestens) 50 % der Gesamtpunkte hinsichtlich der sozialen Kriterien zu gewichten. Das Ehrenamt kann im Rahmen des Kriteriums der Ortsgebundenheit mitberücksichtigt werden; bei z. B. 10 % der Gesamtpunkte für das Ehrenamt können dann allerdings nur noch 40 % der Gesamtpunkte für das Kriterium Ortsgebundenheit verwendet werden. Welche und wie viele Punkte innerhalb dieses Rahmens im Einzelnen vergeben werden, liegt in der Entscheidungshoheit der Gemeinde.

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5Anbindung an bestehende Wohngebiete

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Neue Wohnbauflächen sind möglichst an geeignete Siedlungseinheiten anzubinden (vgl. LEP 3.3), damit vorhandene Infrastruktureinrichtungen besser genutzt werden können und der Erschließungsaufwand so gering wie möglich gehalten wird. Dabei sollen Einheiten gebildet werden, die eine überschaubare Gliederung und Gestaltung ermöglichen und eine wirtschaftliche Ausstattung mit den Gemeinbedarfseinrichtungen des näheren Wohnumfeldes, z. B. mit Kinderspielplätzen, erlauben.

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6Öffentliche Verkehrsmittel

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Die Ausweisung neuer Siedlungsflächen soll vorhandene oder zu schaffende Anschlüsse an das öffentliche Verkehrsnetz berücksichtigen (vgl. LEP 3.1.1 und 3.1.2). Diesen Umstand können Gemeinden auch bei einem etwaigen Erlass von Stellplatzsatzungen auf Grundlage von Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO berücksichtigen. Das Gesamtverkehrsnetz ist im Rahmen von verkehrsträgerübergreifenden, interkommunalen Verkehrskonzepten funktions- und umweltgerecht auszubauen. Durch ein erweitertes Verkehrsangebot und den weiteren Ausbau der Infrastruktur soll der Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen gesteigert sowie der nicht motorisierte Verkehr durch Ausweitung und Aufwertung des Rad- und Fußwegenetzes gestärkt werden. Das überörtliche Radwegenetz soll unter Berücksichtigung der Verbindungsfunktion für den Alltags- und Freizeitverkehr ausgebaut werden (vgl. LEP 2.2.7).

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7Wohnumfeld

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Bei der städtebaulichen Planung ist auf eine den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung entsprechende Gestaltung und Ausstattung des Wohnumfeldes Wert zu legen. In den bestehenden Wohngebieten sollte das häufig vernachlässigte Wohnumfeld durch geeignete Maßnahmen für alle Altersgruppen verbessert werden. Dazu zählen insbesondere die Ausstattung mit Spiel- und Erholungsflächen, die Beseitigung von Barrieren, eine angemessene Bepflanzung, ausreichende Sitzmöglichkeiten, Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung (s. a. Kapitel 3.9.12 Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich) und die Schaffung von differenziert nutzbaren Freiflächen in den Innenbereichen.

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Zum Wohnumfeld gehören auch Spielplätze und Einrichtungen zur Kinderbetreuung. Es empfiehlt sich für solche Anlagen, bei der Ausweisung neuer Baugebiete entsprechend Flächen innerhalb des Baugebiets vorzusehen und im Bebauungsplan als „Gemeinbedarfsflächen“ festzusetzen. Ein möglicherweise bestehender Konflikt zwischen der Wohnbebauung einerseits und der Nutzung dieser Flächen andererseits kann so auf der Ebene der Bauleitplanung effizient gelöst werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die mit der Benutzung einer solchen Einrichtung verbundenen Geräusche ortsüblich und sozialadäquat und somit von der Nachbarschaft hinzunehmen ist (vgl. BVerwG; Urteil vom 12. 12. 1991, 4 C5 / 88). Im Hinblick auf Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätze kommt diese Haltung in § 22 Abs. 1a BImSchG zum Ausdruck, wonach Kinderlärm im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung darstellt und daher Immissionsgrenzwerte und Immissionsrichtwerte nicht herangezogen werden dürfen. Darüber hinaus wird auf das bayerische Gesetz über die Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugendeinrichtungen vom 20. Juli 2011 (GVBl S. 304) hingewiesen. Ausnahmen gelten allenfalls dann, wenn eine besonders ruhebedürftige Umgebungsbebauung (z. B. Krankenhaus mit intensivmedizinischer Betreuung) vorhanden ist. Vor allem in den Randbereichen der Innenstädte ist die Anlage von differenziert nutzbaren Freianlagen Voraussetzung dafür, dass die Wohnfunktion langfristig erhalten und verbessert werden kann.

Ab 1.10.2025 entfällt die gesetzliche Spielplatzpflicht. Eine Spielplatzpflicht gilt künftig nur noch, wenn die Gemeinde nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 3 BayBO eine Spielplatzsatzung erlässt, in der sie bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als fünf Wohnungen die Pflicht vorsehen kann, einen Spielplatz angemessener Größe und Ausstattung zu errichten, auszustatten und zu erhalten sowie dessen Lage und die Art der Erfüllung und die Ablöse der Pflicht regeln kann. Die Regelungsbreite reicht vom Einräumen verschiedener Erfüllungsmöglichkeiten (Nachweis auf dem Baugrundstück, Nachweis auf einem in der Nähe gelegenen Grundstück und Spielplatzablöse) bis zur verbindlichen Vorgabe einer bestimmten Art des Nachweises. Möglich sind auch Regelungen zur Höhe der Spielplatzablöse. Bei der Regelung der Ausgestaltung der Spielplatzpflicht unterliegen die Gemeinden dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

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9Wohngebiete

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Wohngebiete sollen in ihrer Gliederung und räumlichen Gestaltung vor allem den Bedürfnissen der Bewohnerschaft entsprechen. Eine raumbildende Bauweise ist in vielerlei Hinsicht vorteilhaft. Es entstehen baulich gefasste Freiräume. Damit können Bereiche von störenden Einwirkungen abgeschirmt und so gestaltet werden, dass sie für vielseitige Nutzungen, insbesondere auch für nachbarschaftliche Kontakte und das Spielen der Kinder geeignet sind. Vorhandene landschaftliche Elemente und Gestaltwerte sollen in die öffentlichen Bereiche einbezogen werden. Auf eine sinnvolle Zuordnung der privaten Freiflächen zu den Wohngebäuden ist zu achten. Hinweise zur Gestaltung und Nutzung wohnungsnaher Freiräume gibt das Arbeitsblatt für die Bauleitplanung Nr. 10 „Wohnumfeld”.

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10Hausformen

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Bei der Wahl der Hausformen und der Stellung der Gebäude sollen örtliche prägende Gegebenheiten aufgegriffen und weitergeführt werden. Es kommt neben der Baugestaltung im Einzelnen vor allem auf die Qualität des städtebaulichen Gesamtkonzepts an. Bei sorgfältiger Planung können durch die Stellung der Gebäude und die Führung der Straße gut gestaltete öffentliche Räume geschaffen und zugleich die Beeinträchtigungen der privaten Bereiche verringert werden. Bei größeren Dichten, die vor allem zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme und der Kosten angestrebt werden sollen, können verdichtete Bauweisen, z. B. mit Winkel-, Ketten- und Reihenhäusern, einen höheren Wohnwert bieten als das freistehende Einfamilienhaus, da bei diesen Haustypen deutlich besser nutzbare, zusammenhängende Freibereiche möglich sind. Im Interesse der Anpassung an den Klimawandel sollte geprüft werden, ob Dachformen zum Einsatz kommen können, bei denen Gründächer möglich sind. Diese dienen u. a. dem Regenwasserrückhalt und damit der Starkregenvorsorge sowie der Verbesserung des Mikroklimas.

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11Energieeffiziente, klimaangepasste Bauweise

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Der Einsatz von regenerativen Materialien und eine ressourcenschonende und energieeffiziente Bauweise können entscheidend zur Reduzierung der negativen Folgen des Klimawandels beitragen.

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Für eine energieeffiziente Bauweise ist ein größeres Baukörpervolumen wie bei Mehrfamilienhäusern oder Reihenhäusern geeignet, da diese ein günstiges Verhältnis von Hüllfläche zu Volumen aufweisen. Bei kompaktem Baukörpervolumen ist die kostenintensive Außenfläche kleiner und die Wärmeverluste über die Außenhaut sind geringer. Einfluss auf die Energieeffizienz hat auch die Orientierung der Gebäude (vgl. Arbeitsblatt Nr. 17 „Energie und Ortsplanung”).

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Schwere massive Bauformen erreichen durch ihre hohe thermisch wirksame Masse eine hohe Wärmepufferwirkung. Dadurch kann der Heizwärmebedarf in einer Größenordnung vom 10 % verringert sowie eine sommerliche Überwärmung des Gebäudes stark reduziert werden. Die Vorteile der leichteren Holzbauweise liegen vor allem in der Energieeinsparung bei der Herstellung und Errichtung des Gebäudes (graue Energie) sowie den geringeren Treibhausgasemissionen. Hybridbauweisen können viele Vorteile beider Varianten vereinen (vgl. Anhang D, „Lebenszyklusanalyse von Wohngebäuden“).

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14Mischung der Wohnformen

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Nach Möglichkeit sollen sozial stabile Bevölkerungsstrukturen erhalten oder geschaffen werden (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB). In Wohngebieten soll daher eine Mischung vielfältiger Wohnformen und Wohnungsarten angestrebt werden, die den Wohnansprüchen verschiedener Bevölkerungsgruppen und Haushaltstypen gerecht wird. Maßnahmen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus sollen dabei in ausgewogener Mischung mit sonstigen Wohnungsbauvorhaben ermöglicht werden, insbesondere auch in den innerörtlichen Bereichen. Eine vielfältige Mischung der Wohnformen trägt zur langfristigen Stabilisierung der Altersstruktur und damit zu einer wirtschaftlichen Auslastung der erforderlichen altersspezifischen Gemeinbedarfseinrichtungen bei. Die städtebauliche Planung soll auch den Wohnungsbau für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf, z. B. für alte Menschen, Menschen mit Behinderung oder Studierende berücksichtigen. Hierfür können Flächen im Bebauungsplan festgesetzt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB).

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15Genossenschaftliches Wohnen

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Wohnungsgenossenschaften können sowohl in urbanen wie auch in ländlichen Gebieten durch eine vielfältige Mischung von Wohnformen und hohe qualitative Anforderungen für ein langfristig stabiles Element im städtebaulichen Gefüge sorgen. Dabei hilft insbesondere ihre Rechtsform, von der die Mitglieder als Miteigentümerin bzw. Miteigentümer sozial und wirtschaftlich profitieren können. Eine bauleitplanerische Festsetzung ist nur in Verbindung mit städtebaulichen oder privatrechtlichen Verträgen möglich.